Die traditionell chinesische Medizin in der Pferdewelt

Allzu oft sind die Pferdebesitzer, sowie die behandelnden Tierärzte, mit ihrem „Latein am Ende“, wenn es um „austherapierte“ Pferde geht.

Auch bei scheinbar hoffnungslosen Fällen kann die Alternativmedizin, oft auch mit der Schulmedizin in Kombination, helfen, den Pferden ein schönes, annähernd symptomfreies Leben zu verschaffen.

Werfen wir einen Blick auf die traditionell chinesische Medizin, die seit Tausenden von Jahren erfolgreich praktiziert wird. Sie besteht aus 4 Säulen:

  1. Akupunktur mit Nadeln oder Laser, evt. auch Moxibustion (Erwärmung)
  2. Phytotherapie (Behandlung mit chinesischen pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Arzneimitteln).
  3. Diätetik (Lehre der Nahrungsmittel und ihrer Wirkung)
  4. Qi Gong (Bewegungs-und Ruheübungen, beim Pferd nicht durchführbar)

Der erste und zweite Punkt stellen in der TCM den therapeutischen Anteil dar, der dritte und vierte Punkt dient eher der Prophylaxe.


In diesem Artikel geht es um die Akupunktur und deren Wirkungsweise, da diese Säule beim Pferd den größten Stellenwert einnimmt.

Sowohl die Schulmedizin, als auch die Naturheilkunde, hat die sanfte, aber wirkungsvolle Heilkraft der chinesischen Akupunktur wiederentdeckt und als sehr effiziente und nebenwirkungsarme Therapie fest etabliert.

Der Körper ist durchzogen von Leitbahnen, auch Meridiane genannt. Das Leitbahnsystem gliedert sich in verschiedene Leitbahnen auf, wobei die 12 Hauptleitbahnen, die paarig auf der linken und rechten Körperseite angelegt sind und die 8 unpaarigen Leitbahnen, bei der Behandlung die größte Rolle spielen.

Im Leitbahnsystem befinden sich auf den 12 Hauptleitbahnen und auf 2 der unpaarigen Leitbahnen Akupunkturpunkte (ca. 400 verschiedene), über die die Behandlung mittels Stimulation dieser Punkte, stattfindet.

In den Leitbahnen fließt das Qi, die Lebensenergie. Ist dieser Qi-Fluss gestört, also herrscht ein energetisches Ungleichgewicht, bedeutet dies nach chinesischer Auffassung eine Störung, aus der eine Krankheit entstehen kann.

Ein Ungleichgewicht im Qi-Mechanismus (Yin und Yang müssen im Gleichgewicht sein) kann sich bereits durch kleinste Verhaltensauffälligkeiten beim Pferd bemerkbar machen.

Die 12 Hauptleitbahnen sind den jeweiligen Funktions- kreisen zugeordnet und werden in Yin- und Yang-Funktionskreise aufgeteilt.
Die Yin-Funktionskreise sind die Speicherfunktionskreise (Leber, Niere, Herz, Milz-Pankreas, Lunge und Perikard). Die Yang-Funktionskreise werden als Durchgangsfunktionskreise beschrieben (Gallenblase, Blase, Dickdarm, Dünndarm, Dreierwärmer und Magen).

Die Yin-und Yang-Funktionskreise sind einander zugeordnet, denn in der chinesischen Sichtweise bedingen sich Yin und Yang gegenseitig, das eine gibt es ohne das andere nicht.

Hier noch eine kleine Erklärung dazu:

Yang hat eine Wurzel im Yin, Yin hat eine Wurzel im Yang. Ohne Yin kann Yang nicht entstehen, ohne Yang kann Yin nicht geboren werden.

Ziel der TCM ist das frühzeitige Erkennen, Lösen und Abbauen der Energieblockaden mit dem Ziel der Harmonisierung bzw. Heilung.

Je früher Blockaden erkannt und behandelt werden, desto besser ist es. In China gehen die Menschen zum Arzt, um gesund zu bleiben und nicht erst, wenn sich eine Krankheit bereits manifestiert hat. Dies wäre natürlich auch bei den Pferden wünschenswert, ist aber meist leider (noch) nicht der Fall.

Aber selbst wenn bereits eine Krankheit, also eine Störung im Qi-Fluss vorliegt, diese vielleicht sogar schon chronisch geworden ist, hilft die Akupunktur in den meisten Fällen sehr rasch und erfolgreich.

Natürlich kann man nicht erwarten, dass ein schweres, chronisches Krankheitsbild nach nur einer Akupunkturbehandlung verschwunden ist. Je länger eine Störung im Pferdekörper ist, desto länger braucht man natürlich auch für die Therapie. Meist ist aber schon nach den ersten Behandlungen ein sichtbarer bzw. spürbarer Effekt da.

Die Indikationsliste von „westlichen Krankheitsbildern“, bei denen die Akupunktur gut helfen kann, ist sehr lang.

Hier nur eine kleine Auflistung:

  • Allgemeinerkrankungen, wie Fieber, Abwehrschwäche, rezidivierende Infektionen, Überbeanspruchung, Leistungsabfall, Stoffwechselprobleme, ….
  • Augenerkrankungen
  • Ohrerkrankungen
  • Hauterkrankungen wie Ekzem, Mauke, Juckreiz,schlechte Wundheilung, ….
  • Atemwegserkrankungen wie Rhinitis, Sinusitis, Lungenerkrankungen, …
  • Urogenitalerkrankungen wie Harnwegserkrankungen, Störungen der Rosse, Deckunlust bei Hengsten, entzündliche Erkrankungen der Geschlechtsorgane, Plazentaretention, Störungen nach Kastration, …
  • Erkrankungen des Verdauungsapparates wie Obstipa- tion, Diarrhö, Kotwasser, Magenerkrankungen, Kolikneigung, …
  • Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Knochen-, Gelenk-, Muskel-, Sehnenprobleme, Arthrosen, …
  • Verhaltensauffälligkeiten und Störungen im zentralen Nervensystem wie Headshaking, Schreckhaftigkeit, Unruhe, Ataxien, …

Jedes Pferd muss individuell betrachtet und ganzheitlich behandelt werden. Es muss eine vernünftige chinesische Diagnose erstellt werden, in die alle wichtigen Merkmale wie die krankheitsauslösenden Faktoren (Emotionen, klimatische Exzesse), die Leitkriterien und die Funktionskreise miteinbezogen werden.

Auch die Untersuchung der Zustimmungs- und Alarmpunkte, die Zungendiagnostik sowie die Pulstastung, können bei der Diagnose hilfreich sein.
Dann werden die in Frage kommenden Akupunkturpunkte sorgfältig ausgewählt, auf Druckempfindlichkeit geprüft und behandelt. Diese können sich im Verlauf der Therapie von Termin zu Termin immer wieder verändern. Das Pferd wird über genau die Punkte, die es anzeigt, behandelt.

Akupunktur kann GESTÖRTES heilen, bei ZERSTÖRTEM aber lindern und das Leben so wieder lebenswert machen. So konnten selbst bei austherapierten Fällen phänomenale Behandlungserfolge festgestellt werden.

Viele Pferdebesitzer scheuen leider noch immer die Akupunkturbehandlung, weil es ihnen ein seltsames Gefühl bereitet, dass Nadeln in ihr Pferd gestochen werden. Diese Angst ist völlig unbegründet, da die Pferde zum einen meist bei der Behandlung einschlafen, weil sie so entspannt sind und zum anderen muss man nicht zwangsläufig mit Nadeln behandeln, sondern kann auch mit einem Laser die Akupunkturpunkte stimulieren und dies völlig schmerzfrei und extrem wirkungsvoll.

Erschienen im horseman-magazin.de, Dezember 2020, S. 60-65

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